
Die Odyssee
Kyona und Adriel sind ganz allein auf der Flucht. Nachdem Milizen ihr Dorf überfallen haben, wurde das Geschwisterpaar auch noch von den Eltern getrennt. Werden sie einander je wiedersehen? In einem liebevoll gemalten Animationsfilm – Öl auf Glas, an die Gemälde von Marc Chagall erinnernd – verarbeitet die französische Filmemacherin Florence Miailhe Erzählungen ihrer Familie und jüngere Geschehnisse zu einer universal gültigen, paneuropäischen Geschichte von Vertreibung und Flucht.
La Traversée
Animationsfilm
ab 8. Klasse
ab 13 Jahre
Politik, Geschichte, Französisch, Deutsch, Kunst, Musik
Flucht/Geflüchtete, Migration, Familie, Europa, Krieg/Kriegsfolgen
28.04.2022
Inhalt

Beim Spielen im Wald bietet sich den Geschwistern Kyona und Adriel plötzlich ein furchtbarer Anblick: Ihr Dorf brennt. Von nun an sind die Kinder auf der Flucht. Bald auch von den Eltern getrennt, sind sie allein auf sich angewiesen. Auf dem Weg zur Grenze begegnen sie neuen Freund*innen, aber auch neuen Gefahren. Vor dem reichen Ehepaar, an das man sie verkauft, können sie fliehen, doch nun sind maskierte Häscher hinter ihnen her. Kyona und ihr jüngerer Bruder lernen: Wer Freund*in ist und wer Feind*in, ist nicht immer klar zu unterscheiden. Das Leben auf der Flucht ist voller Grauzonen, und zum Überleben jedes Mittel recht. Sie werden getrennt und finden doch wieder zusammen, in einer fahrenden Zirkustruppe, die ihnen vorübergehend Schutz bietet. Aber mit der rettenden Grenze naht auch die Furcht vor Entdeckung. Werden sie ihre Familie je wiedersehen?
Umsetzung

„Es war das erste Mal, dass ich wegging“, beginnt Kyona ihre nüchterne Erzählung. Ihre erwachsene Stimme leitet durch eine Geschichte, in der sich Schrecken und Hoffnung, manchmal sogar Freude ständig abwechseln. In leuchtenden Ölfarben auf Glas gemalt, gleicht Florence Miailhes Animation den poetischen Traumgemälden Marc Chagalls. Realismus und Märchenelemente gehen nahtlos ineinander über, ein Gesicht wird zur Landkarte, die Haare einer gütigen Frau zur Bergkette, die es zu durchwandern gilt. In den Bildern eines ungenannten Bürgerkriegs mischen sich Namen und Motive der Kriege in Bosnien oder Syrien mit der weiter zurückliegenden Judenverfolgung. Eine genaue räumliche oder zeitliche Zuordnung ist nicht nötig; was informierte Erwachsene zunächst irritiert, erschließt jungen Zuschauenden ein global verständliches Bild der Fluchterfahrung, für das Kulturen und Hautfarben keine Rolle spielen. Die Geschichte von Flucht und Vertreibung erscheint hier so alt wie die Menschheit selbst, und zugleich von erschreckender Aktualität.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit

Miailhes entschieden künstlerischer Zugang zu einem schweren Thema verwischt keine Zusammenhänge, sondern macht die Realität vielmehr sichtbar – die Bilder von Flüchtlingslagern, in denen Menschen auf Müllkippen hausen, scheinen direkt aktuellen Nachrichtenbildern von den Grenzen Europas entnommen. Zugleich schafft die bizarre Ausmalung dunkler Motive wie Schlepperwesen und Menschenhandel angemessene Distanz, um auch ein jüngeres Publikum nicht zu überfordern. Im Unterricht lohnt es sich, auf die angespielten Konflikte kurz einzugehen. Warum müssen Menschen fliehen? Wie erleben sie wohl ihre Flucht? Auch einzelne komplexe Charaktere wie der junge Iskender, der dem Geschwisterpaar hilft, und zugleich mit finsteren Gestalten paktiert, lassen sich gut analysieren. DIE ODYSSEE ist ein bunter Film mit vielen Grautönen. Florence Miailhe ließ sich dazu von Familienerzählungen inspirieren, er ist ihre Version des Skizzenbuchs, das Kyona den ganzen Film über mit sich trägt – ein berührendes Medium der Erinnerung. Im Abspann gewährt die Filmemacherin einen Einblick in ihr Malatelier. Dies könnte die Schüler*innen dazu inspirieren, sich selbst mit der selten genutzten, faszinierenden Technik der Glasmalerei auseinanderzusetzen.
Veranstaltungen

Wenn Sie Interesse an einer Schulkinoveranstaltung haben, setzen Sie sich bitte mit einem Kino in Ihrer Umgebung in Verbindung. Dort wird man Sie gern beraten. Gern sind wir Ihnen auch bei der Kontaktaufnahme behilflich.
Florence Miailhe
Marie Desplechin, Florence Miailhe
Deutsche Erzählerin: Hanna Schygulla
84 Min
deutsche Fassung, französische Originalfassung mit Untertiteln
digital, Farbe
ab 12 Jahre
Prädikat „besonders wertvoll“
Grandfilm
Festival d’Animation d‘Annecy 2021 – Internationaler Wettbewerb: lobende Erwähnung der Jury; DOK Leipzig 2021: Sonderpreis Gedanken-Aufschluss