Nicht verrecken
Deutschland, April 1945. Wo die Frontlinie den Konzentrationslagern gefährlich nahe kommt, werden die KZ-Häftlinge auf eine mörderische Reise geschickt. Dieses letzte Kapitel des Zweiten Weltkrieges wird unter dem Schlagwort „Todesmärsche“ in die Geschichte eingehen. Über 70 Jahre später folgt Martin Gressmann den Routen der Todesmarschierer durch Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Er sucht die letzten, heute noch lebende Zeugen auf. Bestand aufnehmen, bevor es zu spät ist.
Dokumentarfilm
ab 10. Klasse
ab 15 Jahre
Geschichte, Politik, Ethik fächerübergreifend: Demokratie- und Friedenserziehung
Kriegsverbrechen, Todesmärsche, Zweiter Weltkrieg, Krieg/Kriegsfolgen, Oral History, Holocaust, Nationalsozialismus, Antisemitismus, Trauma, Zwangsarbeit, Konzentrationslager, Gewalt
13.10.2022
Inhalt
April 1945. Der Krieg ist für Deutschland so gut wie verloren. Wo die Frontlinie den Konzentrationslagern gefährlich nahe kommt, werden die Lager hastig abgebaut. Einige KZ-Häftlinge sterben, die anderen werden auf eine mörderische Reise geschickt. Laufen, immer weiter, um nicht zu krepieren. Wer zurückfällt, wird erschossen. 70 Jahre später folgt Martin Gressmann den Routen der Todesmärsche durch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Er nimmt Landstriche in den Blick, in denen die Spuren der Endphaseverbrechen der Nationalsozialisten heute noch immer präsent sind, versteckt unter wuchernder Natur. Er spürt die wenigen, heute noch lebenden, letzten Zeugen auf, in deren Seelen sich das Grauen eingeschrieben hat. Er will Bestand aufnehmen, bevor mit den Menschen die Erinnerungen an die Verbrechen hinter den Kriegsfronten sterben. Es ist ein Kampf gegen die Zeit.
Umsetzung
Der Regisseur Martin Gressmann erzählt Geschichte, ohne auf die üblichen historischen Archivaufnahmen zurückzugreifen. Um das Vergangene zu vergegenwärtigen, geht er den Weg andersherum: Er sucht das Historische im Heute. In ruhigen, langen Einstellungen zeigt er die Spuren der Geschichte unter Grasnarben oder Zeichen der Gefangenen in Baumrinden. In sensiblen Interviews der betagten Überlebenden macht er erfahrbar, wie sich Vergangenheit in die Seelen der Menschen bis heute eingebrannt hat. Ihm gelingt damit eine merkwürdige Gleichzeitigkeit, von heute und damals, die eine Unmittelbarkeit erreicht, die historische Archivaufnahmen in Schwarz-Weiß oft nicht haben. So prägen Gefühl und Sachlichkeit den gesamten Film. Seine sparsamen, zurückgenommen Kommentare, auf wenige Daten konzentriert, sind konventionell, aber in dieser präzisen Reduktion besonders eindrücklich.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Gressmanns Film ist ein Kampf gegen das Verschwinden. Erinnern ist besonders wichtig in einer Zeit, in der uns die letzte Generation verlässt, die den Krieg noch erlebt hat. Ein gelungenes Beispiel von Oral History als alternativen Zugang zu Geschichte lässt sich hier nachzeichnen. Auf Filmebene ließen sich die verschiedenen Wirkungsweisen von historischen Dokumentationen vergleichen: die, die über Erzählebene und Archivmaterial Fakten vermitteln – und die, die Menschen in den Vordergrund stellen, die Geschichte miterleben haben. Auf politischer Ebene kann man Erinnern als einen elementaren Beitrag zu einer lebendigen Demokratie und unserer vielfältigen Gesellschaft diskutieren. In einem Europa, das heute wieder Zeuge von Kriegen wird, ist der Film auch eine nahe gehende Studie über das Grauen im Schatten der Kriegsfronten. Man kann nicht anders, als die Bilder heute doppelt zu lesen.
Veranstaltungen
Wenn Sie Interesse an einer Schulkinoveranstaltung haben, setzen Sie sich bitte mit einem Kino in Ihrer Umgebung in Verbindung. Dort wird man Sie gern beraten. Gern sind wir Ihnen auch bei der Kontaktaufnahme behilflich.
Downloads
FilmTipp_Nicht_Verrecken.pdfMartin Gressmann
Martin Gressmann | Interviews: Elena Shatkovskaia
Mitwirkende: Simcha Applebaum, Guy Chataigné, Alexander Fried, Karol Gdanietz, Wladimir Wojewodschenko
110 Min
mehrsprachige Originalfassung, nicht-deutsche Passagen mit deutschen Untertiteln
digital, Farbe
ab 12 Jahre
Salzgeber
Duisburger Filmwoche 2021: Publikumspreis der Rheinischen Post, Dokumentarfilmwoche Hamburg 2022, Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern 2022