Chichinette - Wie ich zufällig Spionin wurde
Manchmal kommen Held*innen sehr ungewöhnlich daher: So würde wohl niemand vermuten, dass die kleine, verschmitzte Dame in ihrer Jugend eine ausgebuffte Spionin war, die militärische Geheimnisse der Nazis auskundschaftete. Nachdem sie jahrzehntelang geschwiegen hatte, legt Marthe Cohn nun unermüdlich Zeugnis ab.
Dokumentarfilm
ab 9. Klasse
ab 14 Jahre
Geschichte, Französisch, Deutsch, Englisch, Ethik
(deutsch-französische) Geschichte, Geheimdienst, Emanzipation, Frankreich, Judenverfolgung, Mut, Nationalsozialismus, Holocaust, Vichy-Regime, Zweiter Weltkrieg
17.09.2020
Inhalt
Seit 20 Jahren reist die mittlerweile hundertjährige Marthe Cohn durch die Welt, um ihre unglaubliche Geschichte zu erzählen: Von einer jungen, französischen Jüdin, die in den letzten Kriegstagen wichtige militärische Geheimnisse der Wehrmacht an die Alliierten übermitteln konnte. Immer angetrieben von dem Gedanken, dass sie eine der letzten Menschen ist, die noch persönlich Zeugnis ablegen können von dieser bewegten Zeit. In Metz wächst Marthe behütet in einer deutschsprachigen, jüdischen Familie auf. Nach der Okkupation Frankreichs durch Deutschland müssen sie unter dramatischen Umständen fliehen. Marthe leistet zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Verlobten Jacques Widerstand gegen das Regime – die beiden zahlen diesen Mut mit ihrem Leben. Später landet die junge Frau in der französischen Armee, wo ein Vorgesetzter ihre perfekte Zweisprachigkeit entdeckt und sie zum Militär-Geheimdienst schickt. Dort bekommt sie wegen ihrer ständigen Nachfragen und Verbesserungsvorschläge den Spitznamen Chichinette, kleine Nervensäge, verpasst.
Umsetzung
Regisseurin Nicola Alice Hens dokumentiert den außergewöhnlichen Lebensweg ihrer charismatischen Protagonistin auf sehr berührende Weise. In der ersten Hälfte dominieren beobachtende Bilder der Vortragsreisen von Marthe mit ihrem stillen Ehemann Major, der liebevoll auf jeder Station die zahlreichen Medaillen seiner Frau ausbreitet. Diese etwas redundanten Situationen treten zurück als das Paar in Marthes Heimatstadt Metz ankommt und Familienangehörige aufsucht. Dann steigen endgültig die Geister der Vergangenheit empor und der Film gewinnt mit Marthes Erzählungen an Fahrt. Wie in jedem Spionagethriller steigert sich auch hier die Spannung zum Schluss enorm. Um die visuellen Lücken in ihrer Erzählung zu füllen, greift Hens auf subtile Animationsszenen und atmosphärische Naturaufnahmen zurück. So bleibt den Zuschauern genügend Raum, in dem sich das eigene Kopfkino entfalten kann.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Das eigene Handeln kann einen Unterschied im Lauf der Welt machen, ist die Botschaft von Marthe Cohn. Dadurch spendet sie Hoffnung, die junge Menschen auch heute angesichts der zahlreichen gesellschaftlichen Herausforderungen brauchen. Was könnte mein Beitrag in der heutigen Welt sein?, können sich die Schüler*innen im Anschluss an den Film fragen. Außerdem regt der Dokumentarfilm zur vertieften Beschäftigung mit der deutsch-französischen Geschichte während des Nationalsozialismus an. Nicht zuletzt gibt Marthe Cohn ein eindrückliches Beispiel für weibliche Emanzipation in einer Zeit, als das für Frauen noch weit schwieriger war als heutzutage. Auf der formalen Ebene ist insbesondere die Einbindung von animierten Sequenzen in die Filmerzählung interessant: So kann analysiert werden, welche Vorteile Animationen für die filmische Aufarbeitung von Geschichte im Unterschied zu Archivaufnahmen bieten.
Veranstaltungen
Wenn Sie Interesse an einer Schulkinoveranstaltung haben, setzen Sie sich bitte mit einem Kino in Ihrer Umgebung in Verbindung. Dort wird man Sie gern beraten. Gern sind wir Ihnen auch bei der Kontaktaufnahme behilflich.
Nicola Alice Hens
Nicola Alice Hens
Mitwirkende: Marthe Cohn, Major Cohn u. a.
86 Min
englisch-französische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
digital, Farbe
ohne Altersbeschränkung
Prädikat "besonders wertvoll"
missingFILMs
(Auswahl) Haifa Film Festival (2019); Hofer Filmtage (2019); Kasseler DOKfest (2019)