FilmTipp ZOOM
Das Format FilmTipp ZOOM wirft einen genauen Blick auf die Aspekte eines Films, die ihn zu etwas Besonderem machen. Das können gesellschaftspolitische Fragestellungen ebenso wie die ungewöhnliche Kameraarbeit sein. Neben einer ausführlicheren Filmbesprechung gibt FilmTippZOOM mit Leitfragen und ausgewählten Aufgaben wie z.B. einer Szenenanalyse konkrete Impulse für den Unterricht und Hinweise auf Lernhorizonte und Kompetenzerwerb.
Allen Lehrkräften, Pädagog:innen, Multiplikator:innen, Kinos, Medienzentren, Bildungsinitiativen und anderen Interessierten stehen die FILMTIPP ZOOMs im Rahmen ihrer Filmbildungsarbeit frei zur Verfügung.
Ansprechpartnerin
Sabine Genz
Tel. 030 / 2359 938 65
The Zone of Interest
Jonathan Glazer zeichnet ein beklemmendes Porträt der Familie des Lagerkommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß. Nur eine hohe Mauer trennt ihr großzügiges Haus mit Garten vom Vernichtungslager. Wie mit einer Überwachungskamera aufgenommen zeigt Glazer banale Szenen des Alltags – Mahlzeiten einnehmen, Besuch empfangen, im Garten sitzen – und bleibt immer an der Peripherie des Lagers. Das Grauen bricht vor allem auf der auditiven Ebene in diese scheinbare Normalität einer bürgerlichen „Idylle“ ein und kontrastiert sie einschneidend und unheimlich.
Drama
ab 11. Klasse
ab 16 Jahre
Geschichte, Deutsch, Philosophie, Ethik, Medienkunde, fächerübergreifend: Demokratiebildung
Nationalsozialismus, Konzentrationslager, Vernichtungslager, Auschwitz, Holocaust, Militär, Polen, Rechtsextremismus, Schuld, Täter, Antisemitismus
29.02.2024
Inhalt
Der Film zeigt das Leben der Familie von Rudolf Höß, einem der Kommandanten des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Im Fokus stehen er, seine Frau Hedwig, ihre fünf Kinder und der familiäre Alltag in ihrer Privatvilla, buchstäblich Tür an Tür mit dem Lagergelände. Das Stammlager von Auschwitz ist durchgängig im Hintergrund sichtbar, der Film bleibt jedoch diesseits der Lagermauer und nimmt vorrangig die Täter*innen und Zuschauenden in den Blick. Für das Filmpublikum schleicht sich das Grauen jenseits der Mauer zunehmend ein: Auch sie blicken nie in das Lager, hören es aber. Schreie, Schüsse, Musik oder das Wummern des Krematoriums: Auf der auditiven Ebene unterbricht das unsichtbare Auschwitz kontinuierlich die bürgerliche Idylle und kontrastiert sie unheimlich. Auschwitz und der Holocaust verkommen zur Hintergrundkulisse der persönlichen Befindlichkeiten und Zukunftspläne des Ehepaars Höß.
Umsetzung
Regisseur Jonathan Glazer will mit dem Film den Fokus auf Täter*innen, vor allem aber auch auf die Peripherie des Lagers, auf die Zuschauenden und Umstehenden, legen. Dabei verzichtet der Film auf Psychologisierungen und stellt Familie Höß in größtmöglicher Banalität und Belanglosigkeit dar. Auch die Kamera bleibt distanziert zu den Protagonist*innen: Weite, starre Einstellungen dominieren. In das rekonstruierte Haus der Familie Höß am Originalschauplatz wurden zahlreiche Kameras eingebaut, sodass die Schauspieler*innen in Abwesenheit der Filmcrew spielten, teilweise überlappend in mehreren Räumen gleichzeitig. Dadurch entsteht der vom Regisseur so benannte „Big Brother-Effekt“. „Es gibt zwei Filme: einen, den man hört und einen, den man sieht", betont Jonathan Glazer außerdem die Wichtigkeit der auditiven Ebene. Die Schauspieler*innen hörten bei den Aufnahmen nicht die im Film präsenten Hintergrundgeräusche des Lagers, die beiden Ebenen wurden erst in der Postproduktion zusammengefügt.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Auch wenn der Film keine Biografie oder historische Abhandlung sein will, beruhen der Großteil der Handlungen und Personen auf historischen Tatsachen und Zeitzeug*innenberichten. Deshalb lässt sich ausgehend von THE ZONE OF INTEREST über die Realität des Holocaust und Nationalsozialismus sprechen. Gerade die vielen Bilder, die Jugendliche bereits oft zu diesen Themen im Kopf haben, bieten Anknüpfungspunkte, um sie der Darstellung im Film gegenüberzustellen – zum Beispiel, wenn es um unsere Vorstellung von Täter*innen oder dem „Bösen“ geht. Auch die herausstechenden stilistischen Mittel des Films wie das Sounddesign und ungewöhnliche visuelle Effekte sind gut dazu geeignet, symbolische Ebenen der Filmgestaltung zu erschließen und über die Darstellung des „Undarstellbaren“ und „Unvorstellbaren“ zu sprechen. Nicht zuletzt ist durch die moderne Machart und die filmische Anbindung des Themas an die heutige Zeit die Auseinandersetzung mit dem, was Nationalsozialismus, Holocaust und Gedenken für unsere Gegenwart und uns selbst bedeuten, möglich.
Veranstaltungen
Wenn Sie Interesse an einer Schulkinoveranstaltung haben, setzen Sie sich bitte mit einem Kino in Ihrer Umgebung in Verbindung. Dort wird man Sie gern beraten. Gern sind wir Ihnen auch bei der Kontaktaufnahme behilflich.
Jonathan Glazer
Jonathan Glazer
Sandra Hüller, Christian Friedel, Johann Karthaus, Luis Noah Witte, Nele Ahrensmeier, Lilli Falk, Anastazja Drobniak, Cecylia Pękala, Julia Polaczek, Kalman Wilson, Imogen Kogge u. a.
105 Min
deutsche Originalfassung, barrierefreie Fassungen über Greta & Starks verfügbar
digital, Farbe
ab 12 Jahre
Leonine Studios
Cannes 2023: Großer Preis der Jury; Europäischer Filmpreis 2023: Bestes Sounddesign; Oscar 2024 als Bester fremdsprachiger Film und Bestes Sounddesign