Leila war 10 Jahre alt, als der Bosnienkrieg sie dazu zwang, ihre Heimat zu verlassen, Cacau erhielt als Jugendlicher die Chance von Brasilien nach Deutschland zu ziehen, um Fußballer zu werden, die 82-jährige Frau Schiller floh nach dem Zweiten Weltkrieg als junges Mädchen aus Ostpreußen, Lena kam nach der Katastrophe um Fukushima aus Japan nach Deutschland und der Junge Ahmad floh wegen des Bürgerkriegs aus seinem kleinen Dorf in Syrien. In WARUM ICH HIER BIN beschreiben fünf Protagonist*innen, warum sie ihre ursprüngliche Heimat verlassen haben und heute in Deutschland leben. Sie erzählen von Verlusten, von den Herausforderungen des Ankommens und was für sie heute Heimat bedeutet. Dort, wo zu den Erinnerungen die Bilder fehlen, ergänzen ausdrucksstarke, stilistisch vielfältige Animationen und helfen zu verstehen, was die Protagonist*innen erlebten.
Was bedeutet es, die Heimat zurückzulassen? Wie ist es, in Deutschland neu anzufangen? Der Film macht klar: Deutschland ist bereits seit vielen Generationen ein Einwanderungsland. Der Dokumentarfilm beschreibt leicht verständlich Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Neuankommens in Deutschland aus den verschiedensten Beweggründen, zu unterschiedlichen Zeiten. Damit zieht er einen Bogen über Jahrzehnte deutscher Migrationsgeschichte und setzt einseitigen Darstellungen zu Einwanderung, Migration und Heimat persönliche Geschichten entgegen. Biografien, die einerseits klar machen, dass es sehr schwer ist, seine Heimat zu verlassen, und gleichzeitig aufzeigen, dass „schon lange“ und immer wieder Menschen in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben, in dieser Gesellschaft ankommen und sie bereichern.
Der sechsjährige Aatos liebt es auf die Suche nach den großen Rätseln der Welt zu gehen, meist mit seinem besten Freund Amine oder mit Flo, mit der er vor allem Streifzüge durch die Natur unternimmt. Sie hören Spinnen beim Sprechen zu, testen Frösche auf ihre Prinzentauglichkeit und überlegen, was ein schwarzes Loch sein kann. Eines beschäftigt Aatos jedoch besonders – die Götterwelt. Während Flo die Existenz eines Gottes generell in Frage stellt, scheint Amine schon fest in seinem muslimischen Glauben verankert zu sein. Doch gibt es auch einen Gott für Aatos? Er verkleidet sich als nordische Gottheit Thor; in der Schule stellt der Junge, dessen Mutter aus Finnland stammt, eine Legende über einen göttlichen Adler vor. Gibt es Götter wirklich und wer ist eigentlich ihr Chef, fragt Aatos seine Freunde? Lebensmittelpunkt der Kinder ist der Brüsseler Stadtteil Molenbeek, ein Viertel mit vielen muslimischen Einwohner*innen. Aatos und Amine leben im gleichen Haus, ihr behüteter Alltag wird jäh unterbrochen, als im März 2016 ein Selbstmordattentäter in einem U-Bahnhof in Brüssel eine Bombe zündet und 16 Menschen mit in den Tod reißt. Nun patrouillieren schwer bewaffnete Soldaten im Umfeld der Kinder, reicht die verunsicherte Stimmung in der Stadt bis in ihre Gespräche.
Die Kamera bleibt – unaufdringlich beobachtend – stets auf Höhe der Kinder. Ihre Gespräche stehen unkommentiert für sich: Der aus kindlicher Perspektive erzählte Film porträtiert die Freundschaft der drei Sechsjährigen, ihre gegenseitige Neugier und ihren klugen, oft sehr reifen Blick auf die Welt. Unbefangen und mit viel Witz thematisieren die Drei komplexe Fragen. Die Rolle von kulturellen Bezügen und Religionen wird in den freundschaftlichen Gesprächen zwischen Aatos, Amine und Flo neu und unvoreingenommen diskutiert und hinterfragt. Diese Gespräche laden dazu ein, mit Schüler*innen in einen Austausch über eigene Gottesvorstellungen zu treten. Der Dokumentarfilm macht den Reichtum, den das Zusammenleben in diversen Nachbarschaften bereithalten kann, sichtbar. Die Kinder überwinden die angstvolle Stimmung durch den Bombenanschlag. Sie leben vor, was Freundschaft, Unbefangenheit und Toleranz bewirken.
Regie: Mieko Azuma, Susanne Mi-Son Quester
Deutschland 2019, 65 Minuten
Dokumentarfilm
Produzent Wolfgang Latteyer. Produktion Latteyer Film. Regie, Buch Mieko Azuma, Susanne Mi-Son Quester. Animationen Gitte Hellwig & Lisa Neubauer, Daniella Koffler & Chen Haifez & Eitan Shefer, Franziska Poike & Theresa Strozyk & Adam Yasour, Simon Steinhorst & Hannah Stragholz, Kazuma Taketani. Kamera Mieko Azuma. Ton Susanne Mi-Son Quester. Montage Melanie Jilg. Sound Design Cornelia Böhm Percussion Flurin Mück.
Tag 1
Inhalt: SCREENING mit Filmgespräch und Vorstellung der Projektidee
Ort: Kino
Filmlängen: 65 Minuten plus 25 Minuten
Zeitlicher Rahmen: ca. 3,5 Stunden
Tag 2
Ort: Schule
Zeitlicher Rahmen: 1 Schultag / mind. 5 - 6 Unterrichtsstunden
Ziele und Chancen:
Anhand von beispielhaften Situationen und Aussagen des Films, sowie anhand eigener Erfahrungen und Beobachtungen aus dem Lebensumfeld beschäftigen sich die Schüler*innen mit:
- Film als Kulturgut: Film als Beitrag zu einem Diskurs und zur kulturellen Vielfalt
- den 15 Thesen kultureller Integration
- dem Entdecken von Gemeinsamkeiten trotz vieler Unterschiede
- ihren Vorstellungen zum Begriff Heimat
- Toleranz und Respekt als einer Basis unseres gemeinsamen Zusammenlebens
Der Workshop setzt Impulse für:
- einen offenen und respektvollen Umgang miteinander
- ein Bewusstwerden des Wertes von Unterschieden
- das Erleben neuer Perspektiven auf Gemeinsamkeiten
- das Reflektieren, dass man nicht einer Meinung sein kann, aber trotzdem miteinander befreundet
Enthaltene Module: Filmbesprechung
Thematisierung der 15 Thesen
Inhalt: ZUSATZWORKSHOP I: Kulturelle Vielfalt wertschätzen
Ort: Schule
Zeitlicher Rahmen: + 1 Schultag / mind. 6 Stunden
Ziele und Chancen:
In dieser Workshoperweiterung geht es darum, zu erkennen, dass Vielfalt spannend und wertvoll ist und wie Wertschätzung sich selbst und anderen gegenüber gelingen kann. Die Schüler*innen beschäftigen sich mit:
- kulturellen und sozialen Gemeinsamkeiten und Unterschieden
- Zuwanderung als Teil unserer Geschichte
- mit der Situation von Geflüchteten
- komplexen Begrifflichkeiten wie Migration, Flucht, Heimat, aber auch Diskriminierung und Ausgrenzung
- Freundschaften über kulturelle und religiöse Unterschiede hinweg
Die Workshoperweiterung setzt Impulse:
- zu erkennen, wie schwierig es sein kann, in einem fremden Land ein neues Zuhause zu finden
- zu reflektieren, dass „gemeinsam leben“ bereichernd, aber manchmal auch schwierig sein kann
- zu erforschen, was es bedeutet tolerant, respektvoll und wertschätzend mit Mitmenschen umzugehen und sich klar gegen Unrecht und Ausgrenzung zu positionieren
- miteinder zu reden und neugierig aufeinander zuzugehen
- zu begreifen, dass man gegen Ausgrenzung und Diskriminierung einschreiten und etwas tun kann
Enthaltene Module: Flucht und Migration
Respekt und Toleranz als Grundlage unseres Zusammenlebens
Inhalt: ZUSATZWORKSHOP II: Engagement und Soziale Verantwortung
Ort: Schule
Zeitlicher Rahmen: 2 Schultage / mind. 8 Stunden
Ziele und Chancen:
In dieser Workshoperweiterung werden die Schüler*innen anhand des Films und weiterer Überlegungen zu den 15 Thesen dazu angeregt, auch über die Schule hinaus aktiv das Zusammenleben mitzugestalten und so:
- Selbstwirksamkeit, Hilfsbereitschaft und Engagement zu erleben
- angeregt zu werden, sich in verschiedenen sozialen Bereichen einzusetzen
Die Workshoperweiterung setzt Impulse:
- Kontakt zu Ansprechpartner*innen aufzunehmen, die sich sozial engagieren oder Einblicke in bisher unbekannte Glaubensrichtungen geben können
- sich selbst für einen Bereich einzusetzen
- eine Verbindung zwischen den globalen Konflikten und dem eigenen Handeln vor Ort zu erkennen
Enthaltene Module: Engagement und soziale Verantwortung
(Filmische) Praxis