
Oh Boy
Niko Fischer, von Vaters Geld lebender Studienabbrecher, trudelt durch sein großstädtisches Leben auf der Suche nach Kaffee und einem Ziel. Vorbilder findet Niko bei den Menschen, die er trifft, zwar nicht, wohl aber permanente Anreize, an sich und der Welt zu zweifeln. Aus der Sinnsuche seines mutlosen Helden macht Jan Ole Gerster mit pointierten Dialogen und großartigen Schwarz-Weiß-Bildern tolles Anschauungsmaterial für eigene Gedanken.
Oh Boy
Drama, Road Movie, Komödie
ab 10. Klasse
ab 15 Jahre
Deutsch, Religion/Ethik, Kunst
Individuum (und Gesellschaft), Identität , Werte, Stadt, (Deutsche) Geschichte, Film/Filmgeschichte/Filmsprache
01.11.2012
Inhalt

Niko Fischer hat einen schlechten Tag. Das mag daran liegen, dass er sich allgemein unwohl fühlt, vielleicht fehlt ihm aber auch nur der Kaffee. Niko ist der stille, gedankenverlorene Typ, einer, der sich vielleicht genau heute selbst verliert. Weder seine Freundin, noch die neue Wohnung, noch der Idiotentest wegen seines abgenommenen Führerscheins locken Niko aus der Reserve. Seine Geldkarte wird vom Automaten eingezogen, denn sein Vater hat ihm den Geldhahn zugedreht. Eine alte Klassenkameradin, die er zufällig trifft, frischt unangenehme Erinnerungen auf und die oberflächliche Lebensfreude seines Kumpels richtet Niko an diesem Tag ebenfalls nicht auf. Dieser Tag ist offenbar ein besonderer Tag einer, an dem das Ende der Fahnenstange erreicht ist und ein neuer Blick auf das eigene Dasein her muss. Anregungen für frische Perspektiven erhält Niko mehr als genug was er damit machen wird, bleibt offen.
Umsetzung

Jan Ole Gerster portraitiert in seinen schwarz-weißen Bildern das Lebensgefühl eines jungen Mannes, der nicht weiß, wohin sein Weg führen soll. Er tut dies mit sehr viel Humor, sehr ausgefeilten, pointierten Dialogen und einer sorgfältig strukturierten Kameraführung, die an die Bildgestaltung bekannter Regisseure erinnert. Die Dramaturgie verändert sich im Verlauf des Films: die amüsante Mitnahme auf einen Trip durch die Stadt und die schrägen Begegnungen mit seltsamen Charakteren wandeln sich zu einem berührenden, auch bedrückenden Blick auf innere Konflikte, alte Wunden, unterschiedliche Arten der Betäubung von Sehnsucht und damit der Auseinandersetzung mit dem eigenen Blick auf das Leben. Tom Schilling charakterisiert Niko Fischer hervorragend und verleiht ihm jene Mischung aus Schmerz und scheinbarer Gleichgültigkeit, die nötig ist, um mitzugehen, einzusteigen und sich auf sich selbst zu besinnen.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit

Kann der Weg durch eine Stadt ein Roadmovie sein? Oh Boy verlangt vor allem nach einer Auseinandersetzung mit Erzählstrukturen, Bildersprache, Wortwahl und Figuren. Im Unterricht kann dies beispielsweise im Deutschunterricht im Vergleich mit Romanen wie Fänger im Roggen oder On the Road erfolgen, ergänzt durch Persönlichkeitsportraits und Figurenanalysen. Auch filmische Handschriften im Sinne von Film als Text können im Vergleich betrachtet werden beispielsweise mit frühen Filmen von Jean-Luc Godard, den lakonischen Filmen Jim Jarmuschs oder Chantal Akermans Toute une nuit. Ebenfalls im Deutschunterricht, aber auch in den Fächern Ethik und Religion können der Hauptcharakter des Films ebenso wie die Nebenfiguren zum Anlass genommen werden, um über gesellschaftliche Konventionen, Sinnfragen, Gemeinschaft und Kommunikation sowie über Alkohol im Alltag gesprochen werden. Die Art, wie Alkohol und Kaffee im Film die Handlung durchziehen, kann auch im Kunstunterricht thematisiert werden. Hier bieten sich darüber hinaus Analysen der Bildsprache, des Schnitts und der Bild-Ton-Kombination an.
Veranstaltungen

Wenn Sie Interesse an einer Schulkinoveranstaltung haben, setzen Sie sich bitte mit einem Kino in Ihrer Umgebung in Verbindung. Dort wird man Sie gern beraten. Gern sind wir Ihnen auch bei der Kontaktaufnahme behilflich.
Jan Ole Gerster
Jan Ole Gerster
Tom Schilling, Marc Hosemann, Friederike Kempter, Justus von Dohnanyi, Katharina Schüttler, Michael Gwisdek
85 Min
deutsche Fassung
35mm, digital
ab 12 Jahre
X-Verleih
Filmfest München 2012, Filmfest Oldenburg 2012