
Berlin Alexanderplatz
Die dritte Filmadaption des Romans „Berlin Alexanderplatz“ verlegt den Stoff von Alfred Döblin in die Gegenwart. Aus dem Proletarier Franz Biberkopf wird in der Neuinterpretation von Regisseur Burhan Qurbani der Immigrant Francis aus Guinea-Bissau, der sich ohne Status in Deutschland mit kriminellen Geschäften durchschlägt. Mit seinem epischen, ambitionierten Erzählkino setzt sich Qurbani erneut mit Fragen zur postmigrantischen Gesellschaft auseinander.
Literaturverfilmung, Drama
ab 10. Klasse
ab 15 Jahre
Deutsch, Kunst, Ethik, Sozialkunde, Politik
Flucht, Migrationsgesellschaft, Menschenrechte/-würde, Kriminalität, Liebe
16.07.2020
Inhalt

Mit Glück überlebt Francis einen Schiffsbruch im Mittelmeer, doch seine Freundin Ida ertrinkt. Traumatisiert strandet der junge Mann aus Guinea-Bissau schließlich in Berlin. Ohne Papiere sind seine Perspektiven in Deutschland schlecht. Francis will ein ehrliches, aber auch ein menschenwürdiges Leben führen. Nach schlechten Jobs auf einer U-Bahn-Baustelle lässt er sich zu kriminellen Geschäften verführen: Ein Mann namens Reinhold kontrolliert den Drogenhandel im Hasenheide-Park und macht ihn zu seiner rechten Hand. Einbrüche, Prostitution, Nachtleben – aus Francis wird Franz, ein Teil des Berliner Untergrunds. Nachdem Reinhold ihn eines Tages aus einem fahrenden Auto schubst und er einen Arm verliert, holt ihn Mieze zurück ins Leben. Die Liebe gibt Francis neuen Lebensmut – kann er vielleicht doch noch seinen „German Dream“ verwirklichen?
Umsetzung

Burhan Qurbani, als Kind afghanischer Geflüchteter in Deutschland geboren und aufgewachsen, setzt sich auch in seinem dritten Werk „Berlin Alexanderplatz“ (nach „Shahada“ und „Wir sind jung. Wir sind stark“) differenziert mit politischen Konflikten und kultureller Identität in der Migrationsgesellschaft auseinander. Den Literaturklassiker von Alfred Döblin von 1929 hat er für die neue Adaption umfassend modernisiert: Aus dem Proletarier Franz Biberkopf wird der Immigrant Francis, eine ebenso leidgeprüfte, aber deutlich sympathischere Figur als der Antiheld des Romans. Mit der zeitlichen Verlagerung geht zudem eine geografische einher, fort vom Alexanderplatz als kulturellem Zentrum im Berlin der 1920er-Jahre und hin zu migrantisch und queer geprägten Orten der Gegenwart in Kreuzberg oder Neukölln. Die Kamera fliegt virtuos durch diese – meist realen – Berliner Schauplätze, die in den Nachtszenen mit Neonlicht und Nebelschwaden verfremdet werden. Traumszenen und eine mythische Voice-Over-Erzählerin (Jella Haase als Mieze) brechen ebenfalls mit dem Realismus filmischer Migrationsbilder.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit

Bei einem Stoff wie „Berlin Alexanderplatz“ erscheint ein Vergleich zwischen Film und Literaturvorlage im Deutsch-Unterricht naheliegend, doch der Roman von Alfred Döblin ist aufgrund seiner Komplexität keine gängige Schullektüre. Einen kurzen Auszug zu lesen, etwa den Romananfang, kann Qurbanis Ansatz einer filmischen Neuinterpretation aber anschaulich erhellen. Wie unterscheidet sich die Darstellung der Protagonisten zu Beginn der jeweiligen Erzählungen? Der Film bietet aber auch sonst viele Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit: Die Situation von Menschen ohne Status ist das wesentliche politische Thema, das im Detail in die ambivalente Beziehung zwischen Francis und Reinhold hineinwirkt. Formale Aspekte wie die antirealistische, symbolstarke Bildgestaltung sollten bei der Filmanalyse berücksichtigt werden. Mit seinem diversen Figurenensemble entwirft „Berlin Alexanderplatz“ nicht zuletzt auch eine zeitgemäße Repräsentation der deutschen Gesellschaft.
Veranstaltungen

Wenn Sie Interesse an einer Schulkinoveranstaltung haben, setzen Sie sich bitte mit einem Kino in Ihrer Umgebung in Verbindung. Dort wird man Sie gern beraten. Gern sind wir Ihnen auch bei der Kontaktaufnahme behilflich.
Downloads
FilmTipp_Berlin_Alexanderplatz.pdfBurhan Qurbani
Burhan Qurbani, Martin Behnke nach dem Roman von Alfred Döblin
Welket Bungué, Albrecht Schuch, Jella Haase, Joachim Król u. a.
183 Min
deutsche Originalfassung, barrierefreie Fassungen verfügbar
digital, Farbe, Cinemascope
ab 12 Jahre
Prädikat "besonders wertvoll"
eOne
Deutscher Filmpreis 2020: Bester Spielfilm in Silber, Bester Nebendarsteller (Albrecht Schuch), Beste Bildgestaltung (Yoshi Heimroth), Beste Musik (Dascha Dauenhauer), Bestes Szenenbild (Silke Buhr); Berlinale 2020: Nominierung für den Goldenen Bären