
Der Helsinki-Effekt
Nach 672 Verhandlungstagen wurde am 1. August 1975 die KSZE-Schlussakte von Helsinki unterzeichnet. Regisseur Arthur Franck entwickelt humorvoll aus Archivmaterial und KI-generierten Dialogen die wahre Bedeutung dieses zähen diplomatischen Marathons: Das Dokument entschärfte nicht nur den Kalten Krieg, sondern trug u.a. durch Forderungen nach mehr Reise- und Informationsfreiheit wohl auch zur Auflösung des Ostblocks bei – wirksamer als jedes Kriegsgerät.
Dokumentarfilm
ab 8. Klasse
ab 13 Jahre
Politik, Geschichte, Sozialkunde, Erdkunde, Deutsch, Ethik, Recht, Psychologie, fächerübergreifend: Demokratiebildung
Diplomatie, Verhandlungen, Politik, Geschichte, Kalter Krieg, Konflikte, Macht/Machtgefüge, Verantwortung, Medien, Europa, Sowjetunion, USA, Finnland, Politische Prozesse
12.06.2025
Inhalt

Über 672 Tage zogen sich die Vorbereitungen und Verhandlungen hin, am 1. August 1975 wurde sie unterzeichnet: Die Schlussakte von Helsinki, das Abschlussdokument der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). 35 Staats- und Regierungschefs saßen aufgereiht nebeneinander an einem langen Tisch und wirkten wie befreit. Nicht nur langwierig, auch langweilig scheinen die Verhandlungen gewesen zu sein. Der finnische Filmemacher Arthur Franck teilt zunächst diese Perspektive. Dann aber revidiert er nach und nach seine Meinung und schließlich bewundert er den diplomatischen Kraftakt: Das Abkommen war nicht nur eine ernsthafte Willensbekundung zur Deeskalation im Kalten Krieg. Es war möglicherweise auch der Beginn der zunächst schleichenden und dann immer offensichtlicheren Auflösung des „Ostblocks“. Gerade die Forderungen nach Erleichterung menschlicher und kultureller Kontakte sowie nach der Freiheit des Informationsaustausches waren wahrscheinlich wirksamer als alles Kriegsgerät in West und Ost.
Umsetzung

Mehrere Besonderheiten kennzeichnen den Dokumentarfilm: Er verwendet ausschließlich Archivmaterial, ist also das Ergebnis reiner Montage ohne einen aktuellen Drehtag. Zudem wurden jahrelang als geheim eingestufte Mitschriften von Gesprächen hochrangiger Politiker mithilfe künstlicher Intelligenz vertont. Dabei thematisiert Regisseur Franck immer wieder sein Vorgehen und erklärt, wie er mit den Materialien umgegangen ist. Z. B. rekonstruiert er reale Dialoge der Beteiligten, konstruiert aber auch satirisch-humorvolle Gespräche mit sich und einigen Politikern, was zunächst den Eindruck der Abwertung einer langatmigen Diplomatie entstehen lässt. Doch gerade auf diese Weise kann er mögliche Zweifler*innen einfangen und verändert dann die Perspektive: Nachdem er das historische Vor und Zurück, das zeitintensive Hin und Her auch auf der Bildebene sichtbar gemacht hat, teilt er die zentrale Erkenntnis: Je mehr Politiker reden, desto weniger wird geschossen.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit

Weltweit vereint Populist*innen und Diktatoren die Verachtung für einvernehmliche Lösungen, also für liberale Demokratien und Diplomatie. Den Sinn und das erfolgreiche Ende von Verhandlungen sichtbar zu machen, könnte aktuell kaum dringlicher sein in der politischen Bildung. Aufschlussreich ist daher die Möglichkeit, den Filmemacher dabei zu begleiten, wie er sein Urteil über diplomatische Verhandlungen ändert – was überzeugt ihn? Hinterfragt werden kann die Verwendung KI-generierter Inhalte als „dokumentarisch“ und die alleinige Verwendung von Archivbildern, deren Entstehung im Film ebenfalls thematisiert wird – fehlen im Film z. B. aktuelle Bewertungen der Ereignisse von Wissenschaftler*innen? Für ein besseres Filmverständnis sollten vor der Sichtung grundlegende Informationen zur KSZE und den wichtigsten Politikern vermittelt werden.
Veranstaltungen

Wenn Sie Interesse an einer Schulkinoveranstaltung haben, setzen Sie sich bitte mit einem Kino in Ihrer Umgebung in Verbindung. Dort wird man Sie gern beraten. Gern sind wir Ihnen auch bei der Kontaktaufnahme behilflich.
Downloads
FilmTipp_Der_Helsinki_Effekt.pdfArthur Franck
Arthur Franck
Mitwirkende: Leonid Breschnew, Henry Kissinger, Aleksandr Solzhenitsyn, Gerald Ford, Urho Kekkonen u. a.; Sprecher der deutschen Fassung: Bjarne Mädel
88 Min
deutsche Fassung, anderssprachige Passagen untertitelt
digital, Farbe und schwarz-weiß
ohne Altersbeschränkung
Rise and Shine Cinema
(2025) CPH:DOX Kopenhagen; DOKfest München; Millenium 22nd Docs Against Gravity