For the Time Being
Persönliche Langzeitbeobachtung einer starken Frau und Mutter in New York, die über Jahrzehnte für ihren Mann kämpft, der im Gefängnis eine lange Haftstrafe verbüßt. Der beobachtende Dokumentarfilm, der spannend wie ein Justizthriller inszeniert ist, zeigt am Beispiel eines exemplarischen Einzelschicksals, wie sich struktureller Rassismus auswirkt und wie sehr Angehörige durch das Stigma einer Inhaftierung mitbetroffen und mitbestraft werden.
Dokumentarfilm
ab 10. Klasse
ab 15 Jahre
Politik, Erdkunde, Englisch, Sozialkunde, Ethik, Religion
Justizsystem USA, Gefängnis, Recht, Gerechtigkeit, Rassismus, Verantwortung, Solidarität, Menschenrechte/-würde, Schuld und Strafe, Resozialisierung
18.04.2024
Inhalt
Als Michelle ihren Jugendfreund Jermaine heiratet, ist das der beängstigendste Moment ihres Lebens. Sie geben sich im Hochsicherheitsgefängnis das Ja-Wort, wo Jermaine eine lange Haftstrafe verbüßt. Jermaine beteuert, er wurde zu Unrecht verurteilt. Michelle glaubt ihm und kämpft darum, seine Unschuld zu beweisen. Sie ist überzeugt, dass Jermaine Opfer des rassistischen US-amerikanischen Justizsystems wurde und sagt, „sie wollten nur einen weiteren Schwarzen von der Straße holen.“ Während Jermaine im Gefängnis seinen High School Abschluss nachholt und sogar studiert, kämpft Michelle draußen darum, ihre beiden Kinder als alleinerziehende Mutter großzuziehen und Jermaines Unschuld zu beweisen. Die Jahre ziehen vorbei und die Aussicht auf ein baldiges gemeinsames Familienleben in Freiheit schwindet immer mehr, bis plötzlich ein neues Beweisstück entdeckt wird, dass ihre Hoffnung auf eine Revision des Urteils neu anfacht.
Umsetzung
Regisseurin Nele Dehnenkamp hat Michelle über einen Zeitraum von zehn Jahren begleitet und dokumentiert die Höhen und Tiefen ihres Weges. Die intime Langzeitbeobachtung ermöglicht einen Einblick in das Leben derer, die von einer Haftstrafe oft fast genauso schwer betroffen sind wie die Verurteilten selbst, ohne selbst ein Verbrechen begangen zu haben: die Angehörigen. Der Film entwickelt bewusst eine feministische Perspektive (90 Prozent der in den USA Inhaftierten sind Männer, in Deutschland ist die Männerquote sogar noch höher) und richtet die Aufmerksamkeit auf die betroffenen Frauen, ihren Alltag und ihre Anstrengungen, die viel zu oft übersehen werden. Dabei findet die Regie kreative Wege, um das Vergehen der Zeit durch die Montage auch fürs Publikum spürbar zu machen. Die Klaviermusik des deutschen Komponisten Martin Kohlstedt treibt den Film voran, akzentuiert die Emotionen der handelnden Personen und lässt den Film stellenweise wie einen Thriller wirken.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Die persönliche Beobachtung über Liebe, Hingabe und weibliche Widerstandskraft inmitten des maroden US-amerikanischen Justizsystems setzt sich wohltuend von skandalisierenden Reportage-Formaten ab. Hier steht ein Einzelschicksal im Fokus, das allerdings absolut exemplarisch ist. Die USA haben die höchste Inhaftierungsrate der Welt, im vergangenen Jahrzehnt waren zeitweise fast 1% der erwachsenen Bevölkerung in Haft. Fehlurteile sind keine Seltenheit, Rassismus und Polizeigewalt werden seit Beginn der ‚Black Lives Matter‘ Bewegung zwar stärker wahrgenommen, haben aber kaum abgenommen. Um diese Themen anzusprechen, bietet der Film diverse Anknüpfungspunkte. Im Englischunterricht kann die Originalfassung gesichtet werden. Wer den Film als Ganzes einer Analyse unterziehen möchte, kann z. B. die emotionalisierende Wirkung der sehr präsenten Filmmusik oder die spannenden Montageffekte untersuchen, die der Film einsetzt, um das Vergehen der Zeit zu symbolisieren.
Veranstaltungen
Wenn Sie Interesse an einer Schulkinoveranstaltung haben, setzen Sie sich bitte mit einem Kino in Ihrer Umgebung in Verbindung. Dort wird man Sie gern beraten. Gern sind wir Ihnen auch bei der Kontaktaufnahme behilflich.
Nele Dehnenkamp
Nele Dehnenkamp
Mitwirkende: Michelle Bastien-Archer, Jermaine Archer u. a.
94 Min
englische Originalfassung mit deutschen und englischen Untertiteln
digital, Farbe
ohne Altersbeschränkung
Prädikat "besonders wertvoll"
Across Nations
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