
In Zeiten des abnehmenden Lichts
Während die DDR im Oktober 1989 dem Untergang entgegentaumelt, fällt eine Ost-Berliner Familie schmerzhaft auseinander. Die Feier eines runden Geburtstags wird zum Wendepunkt der privaten und gesellschaftlichen Umbrüche .In der filmischen Adaption des umfangreichen Romans von Eugen Ruge bündelt Regisseur Matti Geschonneck mit Hilfe eines exzellenten Darstellerensembles diese parallel laufenden Entwicklungen wie in einem Brennglas an einem Tag.
Literaturverfilmung, Drama
ab 10. Klasse
ab 15 Jahre
Geschichte, Deutsch, Sozialkunde, Philosophie, Ethik, Kunst
DDR, Kommunismus, Sozialismus, Diktatur, Geschichte, Familie, Generationen, Individuum und Gesellschaft, Utopie, Parteien, Außenseiter, Republikflucht, Kapitalismus
01.06.2017
Inhalt

Am 1. Oktober 1989 feiert der ehemalige SED-Funktionär Wilhelm Powileit seinen 90. Geburtstag. Während seine Frau Charlotte letzte Vorbereitungen für das Fest trifft, kommen Verwandte, Nachbarn und Genossen, um dem senilen Altstalinisten zu gratulieren. Junge Pioniere bringen dem Jubilar ein Ständchen und ein SED-Gesandter überreicht einen Orden. Als bekannt wird, dass sich Wilhelms Enkels Sascha in den Westen abgesetzt hat, ist die Feierlaune dahin. Notdürftig verdeckte Familienkonflikte brechen auf. Wilhelms Sohn Kurt, ein renommierter Historiker, betrügt seine russischstämmige Frau Irina, die sich betrinkt und Saschas allein erziehende Frau Melitta beschimpft. Wilhelms Starrsinn vertieft die Abneigung seiner Frau so sehr, dass sie ihrem Mann Gift verabreicht. Als immer mehr deprimierte Gäste gehen, wird klar, kurz vor dem 40. Geburtstag der DDR bricht nicht nur eine Familie zusammen.
Umsetzung

Der mehrfach preisgekrönte, autobiografisch grundierte Debütroman von Eugen Ruge erzählt die Geschichte eines Familienverbands zwischen 1952 und 2001 über vier Generationen hinweg. Das Drehbuch des renommierten Autors Wolfgang Kohlhaase reduziert den Erzählstoff des 430-Seiten-Romans im Wesentlichen auf einen Tag, ergänzt um einen Prolog und einen Epilog, und konzentriert sich auf die beiden ältesten Generationen. Während der Roman mehrere Erzählebenen und –stränge zu einer diskontinuierlichen multiperspektivischen Narration montiert, die die Sichtweisen mehrerer Figuren vereint, erzählt der Film die Geburtstagsereignisse linear und unter Verzicht auf Rückblenden in einer Art Kammerspiel, das weitgehend im Haus Powileit spielt. Dem Regisseur Matti Geschonnek gelingt es dabei, den melancholischen Grundton, den schon der Filmtitel anstimmt, durch leisen Humor und sparsame Situationskomik auszubalancieren.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit

Film und Roman zeigen auf, wie eng Familiengeschichte und Politik verknüpft sind. Die Korrosion der sozialistischen Utopie verläuft dabei parallel zum inneren Zerfall des Familienverbands. Im Unterricht können die Schüler/innen an szenischen Beispielen herausarbeiten, wie Roman bzw. Film gesellschaftliche Umwälzungen in brüchigen Familienstrukturen reflektieren. Wilhelm und Charlotte lebten zwölf Jahre im Exil in Mexiko, Kurt schuftete zehn Jahre in einem Arbeitslager in Sibirien. Arbeitsgruppen können die historischen Hintergründe recherchieren und diskutieren, wie diese Störerfahrungen die Figuren prägten. Im Roman wird der Geburtstag Wilhelms aus der Sicht von sechs Figuren geschildert. Welche dieser divergierenden Sichtweisen greift der Film auf? Der Film liefert zudem Denkanstöße zu der Frage, warum andere Ideologien wie der RAF-Terrorismus auch in der Bundesrepublik scheiterten.
Veranstaltungen

Wenn Sie Interesse an einer Schulkinoveranstaltung haben, setzen Sie sich bitte mit einem Kino in Ihrer Umgebung in Verbindung. Dort wird man Sie gern beraten. Gern sind wir Ihnen auch bei der Kontaktaufnahme behilflich.
Matti Geschonnek
Wolfgang Kohlhaase nach dem gleichnamigen Roman von Eugen Ruge
Bruno Ganz, Sylvester Groth, Hildegard Schmahl, Evgenia Dodina, Natalia Belitski, Alexander Fehling, Gabriela Maria Schmeide, Angela Winkler, Thorsten Merten, u. a.
100 Min
deutsche Originalfassung, barrierefreie Fassungen über Greta 6 Starks verfügbar
digital, Farbe
ohne Altersbeschränkung
X-Verleih
Berlinale 2017: Berlinal Special Gala